Rezension: Winterwassertief

Lilly Lindner  – Winterassertief

winterwassertief

  • Verlag: Droemer
  • Seitenzahl: 356
  • Teil einer Reihe?: Ja, es ist die Fortsetzung von „Splitterfasernackt„.
  • Inhalt: Nach der beklemmenden Autobiografie „Splitterfasernackt“, in der Lilly Lindner die Stationen ihrer tiefen Verletzungen schildert, erzählt sie nun, was danach kam. Sie hatte im Bordell angefangen ihre Geschichte aufzuschreiben: Von den Vergewaltigungen durch den Nachbarn mit 6 Jahren, der Entführung und dem Martyrium mit 17 und der Zeit, in der sie sich prostituiert hatte und dem, was ihr vom Leben übrig geblieben war. Sie findet einen Verleger, der zu einem Vertrauten wird, die Freunde aus dem ersten Buch stehen immer noch an ihrer Seite. Obwohl sie der Prostitution entkommen ist, heißt das noch lange nicht, dass ihr Leben nun in geordneten Bahnen verläuft. Wie auch bei der Schwere der Verletzungen? Aber sie schafft es mit Hilfe ihres großartigen Freundes Chase einen neuen Weg zu beschreiten und ihre Autobiografie öffentlich zu machen. Das Buch beschreibt ihre widersprüchlichen Gefühle darüber, ihren Umgang mit der Tatsache, dass ihre Gesichte nun für jedermann offen daliegt. Unaushaltbare Spannungen werden weiterhin durch Anorexie und Selbst Selbstverletzungen „bekämpft“ und umgeleitet. Trotzdem schafft sie es, auf Lesereise zu gehen und schildert im letzten Teil ihre Begegnung mit Zuhörern und Lesern, die sich ihr oft als Menschen mit ähnlichen Schicksalen offenbaren.
  • Rezension: Ich muss gestehen, mich hat das Buch geärgert. War „Splitterfasernackt“ noch berührend und schockierend, mischt Lilly hier Gegenwart und Geschichten aus der Vergangenheit so, dass jemand, der das 1. Buch nicht gelesen hat, nicht alles verstehen kann und für denjenigen, der es gelesen hat, ist vieles eine Wiederholung, die keine neuen Aspekte erleuchtet. Auch stilistisch alles wie gehabt: Wortakrobatik, die sich wie selbstverliebt um sich dreht und nicht zur Erklärung und Vertiefung beiträgt. Das ist an manchen Stellen als Wortspiel ganz nett, aber es langweilt irgendwann. Trotzdem glaubt man Lilly sowohl sanftmütige Gefühle als auch eine eiskalte Ausdruckslosigkeit. Aber ihr Stil trägt für mich eher zur Abständigkeit und nicht zum Mitleiden bei. Auch das alte Spiel des Lebens aus dem ersten Buch wird hier fortgesetzt, nur dass die Komplimente diesmal Harry (Lillys Literaturagent) in den Mund gelegt werden. Zitat S. 104 „Ach Lilly“, seufzt Harry, „Kann es sein, dass du ein kleines bisschen hochbegabt bist?“ „Du bist unglaublich.“ Lilly schmeichelt sich aus der Sicht eines anderen, hoffentlich kann sie sich später einmal auch direkt beurteilen. Ich wünsche es ihr, ist es doch ein Zeichen von Gesundheit und Realitätsnähe. Vielen Dank an das Team vom Droemer Verlag, der mir dieses Buch freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
  • Bewertung: 1 Stern