Über Zorro

Ich heiße Angelika Zörnig, bin Jahrgang 1948 und liebe Bücher und "Mon Cherie". Diese Kombination ist unschlagbar, besonders wenn es sich um Biografien, Familienromane, Psychodramen, Kurzgeschichten, Novellen und Lyrik handelt. Ansonsten gehe ich leidenschaftlich gern ins Theater und ins Kino oder beschäftige mich mit Märchenerzählen. Ich arbeite als Honorarkraft an einer Hamburger Grundschule. In dieser schönsten Stadt der Welt bin ich auch geboren und habe den größten Teil meines Lebens dort verbracht. Die Rezensionen werden von Stephi abgetippt.

Rezension: Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück

Max Küng – Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück

  • Verlag: Kein & Aber
  • Seitenzahl: 384
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Ein fünfgeschossiges Wohnhaus in der Lienhardstrasse 7 in der Schweiz ist der Ausgangspunkt für die Verwicklungen der Bewohner. Sie können unterschiedlicher nicht sein, doch beim Blick ins Innere des Hauses erlebt der Leser einen Zeitpunkt, an dem alle eines gemeinsam haben: Sie erhalten die Wohnungskündigung und nun müssen sie notgedrungen mehr miteinander zu tun haben. Und obwohl Max Küng sagt: „Wir wissen nichts über unsere Nachbarn,. Das ist gut so. Wenigstens im richtigen Leben!“, erfahren jetzt Leser und Nachbar ungeahnte Charaktereigenschaften und Verknüpfungen der Mieter mit- und untereinander.
  • Rezension: Der Roman ist kurzweilig und leicht lesbar. Detailreich und wortgewandt werden die Personen geschildert, wobei detailreich für meinen Geschmack öfter zu weit geht. Denn es interessieren mich weder sprießende Mitesser mit schwarzer Spitze, noch Popel, verfangen in Nasenhaaren, noch der Vorgang der Ohrenreinigung mit genauer Schilderung des Ergebnisses, wenn es weder für den Fortgang der Geschichte noch zur Charakterisierung der Figuren oder deren Beziehungen von Bedeutung ist. Überhaupt sind die Geschichten ziemlich alltäglich und ohne Überraschung und Höhepunkte. Zwar entlarvt der Autor die Schwächen der Menschen mit hintergründigem Humor, aber man fragt sich, warum alle eigentlich gutgestellten Menschen irgendwie an einem Totpunkt ihres Lebens angekommen sind und warum sie nicht mehr aus ihrem Leben machen. Deshalb kam bei mir keine Empathe für die Personen auf und das Buch hat nicht nachgewirkt. Manche Handlungsstränge haben sich zudem im Nirgendwo verloren, die Kündigung kommt durch einen eher unglaubwürdigen Coup vom Tisch und der Titel wird zwar lapidar mittendrin erläutert, trägt aber nicht zum Verständnis bei. Der Titel geht zurück auf ein Sprichwort aus einem chinesischen Glückskeks, den ein Hausbewohner aufbricht, als er mit einem anderen Hausbewohner beim Besprechungsessen sitzt, um eine Strategie gegen die Kündigung zu entwerfen, sie haben aber keine.
  • Bewertung: 

Rezension: Der Werwolf von Hannover- Fritz Haarmann

Franziska Steinhauer – Der Werwolf von Hannover- Fritz Haarmann

  • Verlag: Gmeiner Verlag
  • Seitenzahl: 313
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt:Die Geschichte ist bekannt: Bis in die 50er Jahre kannte jedes Kind das „Haarmannlied“, gesungen nach der Melodie des Operettenliedes: „Warte, warte nur eine Weilchen, dann kommt auch das Glück zu dir.“ Daraus wurde: „…dann kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Hackefleisch aus dir.“, und es wurde als Erziehungsmittel zur Ruhigstellung und Angepasstheit de Kinder zitiert. Fritz Haarmann, der Massenmörder und Kannibale von Hannover, lebte von 1879 bis zu seinem Tod durch das Fallbeil 1925. Seinen ersten Mord beging er im September 1918, den letzten 1924, insgesamt konnte man ihm 24 Tötungsdelikte nach sexuellen Übergriffen an jungen Männern nachweisen, wahrscheinlich waren es mehr als doppelt so viele. Die Autorin schildert in abwechslungsreichen Perspektiven die Vorgänge der Anlockung und der Ermordung: aus Haarmanns Sicht, aus der Sicht der Reporter, der ermittelnden Polizeibeamten und der betroffenen Familien, Angehörigen der Opfer. Haarmann war ein Massenmörder, der ausschließlich männliche Jugendliche ermordete, die Leichen zerstückelte und das Fleisch erfolgreich verkaufte, ebenso wie die Kleidung der Getöteten. Das Buch ist eine Biografie und ein Kriminalroman, beides meisterlich vereint.
  • Rezension:Massenmörder stoßen ab und faszinieren, mich jedenfalls, und dieser biografische Kriminalroman zieht des Leser in seinen Bann durch die Durchmischung von Fakten und fiktiven Dialogen und Überlegungen. Man denkt, so und nicht anders könnte es gewesen sein, aber man weiß es nicht und das lässt Spielraum für Fantasien und andere Interpretationen. Fiktiv ist die Fahrradtour zweier Freunde, Ludwig und Theo, die nach Hannover fahren und in das mörderische Geschehen eingezogen werden, veranschaulicht durch die reale Biografie des Mörders, später kommentiert durch Presseclub und Polizeikommissariat. Der Werwolf von Hannover ist ein spannendes und akribisch recherchiertes Buch, der forensisch sehr genau ist aber etwas zu wenig Einblicke in die Psyche des Massenmörders gewährt. Zwar wird durch die im „Originalton“ verfassten Passagen die Denkweise des Täters deutlich, aber warum seine Handlungsweisen sich durch so große Kaltblütigkeit und Hemmungslosigkeit auszeichnen wird nicht beleuchtet. Auch die Beziehung zu seiner Mutter, an die er oft mit großer Zärtlichkeit denkt und die er im Himmel wiedersehen möchte, kommt zu kurz.
  • Bewertung: 

Rezension: Alma

Dagmar Fohl – Alma

  • Verlag: Gmeiner Verlag
  • Seitenzahl: 212
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt:Es ist die Geschichte des Juden Aaron Stern, der als Deutscher in Hamburg aufwächst, mit Freude im Musikladen seines Vaters mitarbeitet, ein normales Kind, Gleicher unter Gleichen, bis er mit dewr Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zum „Volljuden“ wird. Er ist ein leidenschaftlicher und begabter Cellospieler, was ihm später eine Überlebenschance im KZ Ausschwitz verschafft. Gleichzeitig ist es die Möglichkeit, aus der äußeren gnadenlosen, feindlichen und zerstörerischen Welt zu entfliehen.
    1939 muss er Deutschland verlassen, da die Bedingungen für ihn und seine schwangere Frau Leah zu bedrohlich werden. Die Tochter Alma kommt aufgrund der Aufregungen und Anstrengungen zu früh zur Welt und ist zu schwach, um mit auf die Ausreise mit dem Schiff „St. Louis“ genommen zu werden. Schweren Herzens überlassen die Sterns die Tochter einem befreundeten Ehepaar und begeben sich auf die Reise nach Kuba, vorerst noch in der Hoffnung, Alma nachholen zu können. Doch die Hoffnung zerbricht, als die Kubanische Regierung die Einreiseerlaubnis zurückzieht und das Schiff auf der Suche nach einem Aufnahmeland eine vieltägige Irrfahrt unternehmen muss. Im Juni 1939 landet die St. Louis im Hafen von Antwerpen und Aaron und Leah kommen in ein Flüchtlingsaufnahmelager. Später werden sie nach Ausschwitz deportiert und erleiden in dem Vernichtungslager unvorstellbare Gräuel. Einzig die Musik rettet Aaron vor dem Schlimmsten und zurückgekehrt nach Hamburg, versucht er einen Neuanfang, der zunächst davon getragen ist, seine Tochter zu finden. Doch dann nehmen die Ereignisse unerwartete Wendungen.
  • Rezension: Als ich die Geschichte der Sterns ausgelesen hatte, war ich verwundert, dass die Welt draußen in Ordnung war. Das konnte eigentlich nicht sein, nachdem man so in das Schicksal eingesogen worden war! Intensiv und authentisch schildert die Autorin ihre Protagonisten. Es gelingt ihr vorzüglich, geschichtliche Fakten und fiktive Charaktere miteinander zu verbinden, so dass eine wahre Geschichte entsteht, wie sie vielen zugestoßen ist, aber mit Aaron erfährt der Leser mehr als furchtbare Behandlungen und Vorgänge in den KZs und Vernichtungslagern. Man erfährt viele Facetten eines gequälten Körpers und einer gefolterten Seele, die überleben wollen und dazu versuchen, die Sicht der Dinge für sich einzuordnen. Aaron ist Musiker im Lagerorchester und genießt dadurch Privilegien, die andere nicht haben. Er entwickelt später Schuldgefühle darüber, dass er seinen Lebenskampf mit dem Cello geführt hatte und darüber, dass er sich in das Grauen hatte einbinden lassen. Die Autorin schildert auch die andere Seite der Opfer: „ Juden wurden zu Handlangern in allen Bereichen in den Lagern und machten alles, um sich zu retten. Nur wenige kannten das Gefühl des Mitleids.“
    Die Schilderung des Schicksals der Juden, exemplarisch dargestellt an Aaron, führt bei dem Leser immer wieder zu einem ungläubigen Gefühl der Unfassbarkeit, wozu der Mensch fähig ist. Aber die andere Seite regt an, darüber nachzudenken, wie weit man selbst gegangen wäre, um zu überleben.
    Die Geschichte ist raffiniert angelegt. Dagmar Fohl lässt Zeitzeugen in Form eines Romans wiederaufleben und mahnt damit eindringlich, „dass die Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung mit den Millionen von Opfern nie in Vergessenheit geraten darf.“ (Zitat Esther Bejarano, die im Mädchen orchester von Ausschwitz gespielt hat und eine der letzten noch lebenden Zeitzeugen ist. In dem Vorwort zu dem Buch äußert sie den Wunsch, der Roman möge etwas bewirken in Zeiten der zunehmenden Entmenschlichung. Dem Wunsch schließe ich mich aus vollstem Herzen an.)
    Ein ungeheuer intensives und, trotz des unendlich grausamen Hintergrundes, auch ein spannendes Buch, denn der Leser leidet und hofft mit Aaron, und man ist gespannt, wie dessen Leben nach der äußeren Befreiung weitergeht und ob er seine Tochter findet
  • Bewertung: 

Rezension: Endlich aufgewacht: Erinnerungen

Gisela Hetzer – Endlich aufgewacht: Erinnerungen

  • Verlag: Frieling Verlag
  • Seitenzahl: 79
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Die Autorin schildert in dem schmalen Taschenbuch die Geschichte ihrer „Einswerdung“ mit sich selbst und Allem was sie umgibt. Dieser Weg ist steinig und mühsam, voller Höhen und Tiefen, wächst sie doch in einer elterlichen Umgehung auf, die für sie keine Geborgenheit und Liebe bereithält. 1944, gegen Ende, des zweiten Weltkrieges, wird sie in der Nähe von Bremerhaven als Jüngste von vier Geschwistern geboren. Die Eltern übernehmen die kleine Maschinen-Stcikerei der verstobenen Großeltern und arbeiten hart aber letztlich ohne Erfolg. Die Ehe der Eltern scheitert, Gisela kämpft mit mangelndem Selbstwertgefühl , Übergewicht und den Nachstellungen ihres Vaters. Wie sie ihre Selbstzweifel , Panikattacken und ihren Hirninfakt überwindet schildert sie offen und ehrlich in der vorliegenden Biografie.
  • Rezension: Um es vorweg zu nehmen: Das Buch ist sprachlich eine Katastrophe. Es handelt sich um Verschriftlicht Umgangssprache, die Einwürfe „Tja“, „O ja“ die Ausdrücke „nichtsdestotrotz“ und „obschon“ kommen gehäuft vor, die „Trage“ wird mit einer „Bahre“verwechselt. Inhaltlich kommen einige Ungereimtheiten vor , die den abständigen Leser ärgerlich machen – aber sicher nicht den betroffenen. Jeder, der sein Dasein so wie Gisela – zeitweilig als eine Qual empfindet, jeder der entmutigt und verängstigt ist, dem jede Selbstachtung und jedes Selbstwertgefühl fehlen und sich mit der Autorin identifizieren können auf Grund der verständlichen und schlichten Sprache und der Aufrichtigkeit. Gisela hat ihren Weg gefunden über einen Begegnung mit dem Göttlichen, was ja nicht jedem Suchen zuteil wird, aber besonders auch durch die Heilmethode Reiki, die sie jedem ans Herz legt. Möge ihr Wunsch in Erfüllung gehen, dass anderen , die Ähnliches erleben oder erlebt haben, mit ihrer Geschichte Mut gemacht wird.
  • Bewertung: 

Rezension: Der Wunderkasten

Rafik Schami – Der Wunderkasten

  • Verlag: Edition Bracklo
  • Seitenzahl: 52
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Der Inhalt ist schnell erzählt; ein alter Geschichtenerzähler zieht gemächlich mit einem großen Kasten auf dem Rücken von einem Viertel in Damaskus ins Andere. Er lässt die Kinder in seinen „Wunderkasten“ blicken und erzählt zu den Bildern die rührende Liebesgesichte von dem armen Hirtenjungen Sami zu der schönen Leila, der Tochter des reichsten Bauern im Dorf. Viele Abenteuer muss er bestehen, bevor die Liebe über alle Hindernisse siegt. Doch die Geschichte wandelt sich im Laufe der Erzählzeit, weil die wunderschönen alten Illustrationen langsam verblassen und durch moderne Ausrisse aus Zeitschriften ersetzt wurden. Da hatten die Kinder keine Lust mehr zuzuhören, und der alte Mann blieb Damaskus zwei Jahre lang fern, bis er mit seinem bilderlesen „Wunderkasten“ zurückkehrte….
  • Rezension: Schon wenn man das Buch nur in den Händen hält ohne es aufgeschlagen zu haben, ahnt man, dass es sich um ein besonderes Schmuckstück handelt. Die edle Leinenausgabe mit dem Bilder der gespannt wartenden Kinder auf der Titelseite verzaubert sofort und macht gespannt und neugierig. Und der Leser und Betrachter wird nicht enttäuscht. Die erste Doppelseite ziert ein wunderschönes, arabisch anmutendes Kachelmosaik. Es folgt ein neues Vorwort von Rafik Schami, in dem er seine Absicht erklärt, dass die Geschichte in der Geschichte alle Liebenden ermuntern soll, gegen alle Verbote zu ihrer Liebe zu stehen. Die Rahmengeschichte sein eine Geschichte unserer Zeit. Schami weiter: „Die wunderbaren Bilder haben aus dem Text einen Film auf Papier gemacht. Sie laden zum Verweilen ein und man wird mit witzigen Details, die sorgfältig komponiert sind, belohnt.“ Und wie das stimmt! Während die Bilder eine Ode an die Kunst des Sichtbarmachens und Vertiefens eines Textes sind, ist der Text eine Ode an die Kunst des Märchenerzählens. Es ist ein Buch zum Versinken mit allen Sinnen und besonders geeignet zum Innehalten und Betrachten. Dieses Buch ist ein wahrer Schatz.
  • Bewertung: 5 Sterne

Rezension: Bilqiss

Saphia Azzeddine – Bilqiss

  • Verlag: Wagenbach
  • Seitenzahl: 171
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Bilqiss ist eine junge, verwitwete gläubige Muslimin, die eines morgens anstelle des (betrunkenen) Muezzin zum Gebet gerufen hat.Dafür und für andere „Ungeheuerlichkeiten“ wie Besitz von Stöckelschuhen, Make up, Damenunterwäsche, Pinzette (das Zupfen von Augenbrauen ist verboten, es verfälscht die Schöpfung Gottes, nicht aber ein nach der Folter zerfetztes Gesicht!) soll Bilqiss gesteinigt werden. In sechs Kapiteln mit teils wechselnden Ich-Erzählern beschreibt Azzedine brillant innere und äußere Welt der Protagonisten. Da ist Bilqiss, die die Unterstützung eins Anwalts ablehnt und sich selbst verteidigt, indem sie den Männern im Gerichtssaal die Scheinheiligkeit und Erbärmlichkeit ihrer Gottesfurcht und Frauenbehandlung vorhält (inhaltlich und sprachlich ein kleiner Höhepunkt, in dem Bilqiss berichtet, dass die Ordnungshüter das Recht hatten, Frauen auf offener Straße anzuhalten, umzu verlangen, vor ihnen auf- und abzuhopsen, damit sie sich versichern konnten, dass diese keinen Büstenhalter, das Symbol des Sexuellen schlechthin, trugen. Da ist der Richter Hasan, der nach und nach der Intelligenz von Bilquiss verfällt und darum die Steinigung immer wieder verschiebt. Er besucht die Angeklagte regelmäßig in ihrer Zelle und legt ihr nahe, öffentlich um Verzeihung zu bitten, was sie ablehnt. Als sie im Gerichtssaal die Hoffnung äußert, dass es den Männern einmal gelingen solle, unverschleierte Frauen zu betrachten, ohne eine Erektion zu bekommen, muss Hasan auflachen, erschreckt aber darüber und ordnet 37 statt der vom aufgebrachten Mob geforderten 100 Peitschenhiebe an. Das Video der öffentlichen Auspeitschung ruft die dritte Ich-Erzählerin auf den Plan: die amerikanische Journalistin Leandra Hersah. Sie reist in das Land zu Bilquiss – vollgestopft mit Vorurteilen und typischem amerikanischen Missionsdrang – um DIE Story an Land zu ziehen. Wie die Geschichte endet, sei hier nicht verraten, denn es lohnt sich unbedingt bis zum Ende den Auseinandersetzungen der Personen über die muslimische und westliche Welt zu folgen.
  • Rezension: Die zentralen Themen des Romans wie Unterdrückung der Frauen im Islam, die einseitige Auslegung des Korans, nämlich zum Vorteil des Mannes, gepaart mit Scheinheiligkeit und die daraus resultierenden Unfreiheit der Frauen werden in eine fast orientalisch anmutende lebendige Sprache eingebettet. Das macht Spaß beim Lesen, wenn der Stolz, der Zorn, der Zynismus und auch der Witz der Titelfigur deutlich wird, wenn sie ihre Gedanken und Ansichten formuliert. Mit der Figur der amerikanischen Journalistin gelingt es Azzedine, die Kritik an einer arroganten westlichen Haltung sehr persönlich werden zu lassen. Sehr überzeugend stellen die drei Figuren ihre Sicht der Dinge dar. Dabei erfährt der Leser viele Hintergründe und Verhaltensweisen in der muslimischen Gesellschaft. Hintersinnig und zum Teil auch komisch wird der Leser angeregt, sich selbst neue Gedanken über die verschiedenen Welten zu machen. Denn, die Respektlosigkeit Frauen gegenüber ist auch in anderen Ländern verbreitet. So lässt Azzedine einen in einem islamischen Land stationierten US-Soldaten sagen: Amerikas Frauen sind alle Schlampen, die für Gleichberechtigung plädieren, ohne ihren Anteil im Restaurant zu zahlen. Und sollten wir nicht noch einmal über das Selbstverständnis eines Mannes im Islam nachdenken, dem es wichtig ist, dass weder Auberginen noch Zucchini ungeteilt an Frauen verkauft werden dürfen, weil die Nähe zum Phallus zu groß ist? Überschätzung pur ?!
  • Bewertung: 

Rezension: Guter Junge

Paul McVeigh – Guter Junge

  • Verlag: Wagenbach
  • Seitenzahl: 252
  • Teil einer Reihe?: Nein
  • Inhalt: Im Belfast der 1980er Jahre lieferten sich militante Katholiken und Protestanten mörderische Straßenkämpfe, in die auch die Zivilbevölkerung verwickelt wird. So auch Mickey, ein äußerst sensibler Junge, der mit seiner geliebten Mama, seinem gewalttätigen Vater und drei Geschwistern mitten im Chaos von Sperrgebieten, Niemandsland, brennenden Barrikaden, in einem ärmlichen Viertel lebt. Mickey ist anders als die anderen und hat deshalb nur eine Vertraute: seine kleine Schwester. Mit den groben Vergnügungen und Freizeitbeschäftigungen der Gleichaltrigen kann er nichts anfangen und so flüchtet er in eine Traumwelt, in der er ein anderes Leben in Amerika als Schauspieler führt. Doch auch in seinem tatsächlichen Leben gibt es viele Veränderungen, von denen der Leser neun Wochen aus Sicht des Jungen miterlebt, nämlich die unterrichtfreien Wochen bis zum Übergang in eine weiterführende Schule, die leider nicht die seiner Wahl ist und vor der er sich fürchtet.
  • Rezension: Mickey wächst einem vom ersten Augenblick an ans herz. In der Sprache des Jungen schildert der Autor dessen Gefühlswelt, seine Träume, sein Mitleiden und sogar seine schmerzhaften Abenteuer. Das Ganze ist so anrührend und authentisch, dass man meint, mittendrin zu sein. Auch wenn Mickey noch ein Schuljunge ist, konnte ich mich total mit ihm identifizieren: das Hin- und Hergerissensein zwischen Ablehnung der groben Clique und der Wunsch dazuzugehören, die verzweifelte Liebe zu einem Mädchen, die Unsicherheit bei der Begegnung, die unbedingte Liebe zur Mutter und dem Wunsch, sie zu beschützten – das alles haben die meisten am eigenen Leib erfahren und finden es in diesem Buch auf sehr kluge Weise wieder: eingebettet in ein Feuerwerk an äußeren Ereignissen, so dass zu dem „kenn-ich-Gefühl“ ein Spannungsbogen aufgebaut wird, der bis zum überraschenden Schluss anhält.
  • Bewertung: