Dagmar Fohl – Alma
- Verlag: Gmeiner Verlag
- Seitenzahl: 212
- Teil einer Reihe?: Nein
- Inhalt:Es ist die Geschichte des Juden Aaron Stern, der als Deutscher in Hamburg aufwächst, mit Freude im Musikladen seines Vaters mitarbeitet, ein normales Kind, Gleicher unter Gleichen, bis er mit dewr Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zum „Volljuden“ wird. Er ist ein leidenschaftlicher und begabter Cellospieler, was ihm später eine Überlebenschance im KZ Ausschwitz verschafft. Gleichzeitig ist es die Möglichkeit, aus der äußeren gnadenlosen, feindlichen und zerstörerischen Welt zu entfliehen.
1939 muss er Deutschland verlassen, da die Bedingungen für ihn und seine schwangere Frau Leah zu bedrohlich werden. Die Tochter Alma kommt aufgrund der Aufregungen und Anstrengungen zu früh zur Welt und ist zu schwach, um mit auf die Ausreise mit dem Schiff „St. Louis“ genommen zu werden. Schweren Herzens überlassen die Sterns die Tochter einem befreundeten Ehepaar und begeben sich auf die Reise nach Kuba, vorerst noch in der Hoffnung, Alma nachholen zu können. Doch die Hoffnung zerbricht, als die Kubanische Regierung die Einreiseerlaubnis zurückzieht und das Schiff auf der Suche nach einem Aufnahmeland eine vieltägige Irrfahrt unternehmen muss. Im Juni 1939 landet die St. Louis im Hafen von Antwerpen und Aaron und Leah kommen in ein Flüchtlingsaufnahmelager. Später werden sie nach Ausschwitz deportiert und erleiden in dem Vernichtungslager unvorstellbare Gräuel. Einzig die Musik rettet Aaron vor dem Schlimmsten und zurückgekehrt nach Hamburg, versucht er einen Neuanfang, der zunächst davon getragen ist, seine Tochter zu finden. Doch dann nehmen die Ereignisse unerwartete Wendungen. - Rezension: Als ich die Geschichte der Sterns ausgelesen hatte, war ich verwundert, dass die Welt draußen in Ordnung war. Das konnte eigentlich nicht sein, nachdem man so in das Schicksal eingesogen worden war! Intensiv und authentisch schildert die Autorin ihre Protagonisten. Es gelingt ihr vorzüglich, geschichtliche Fakten und fiktive Charaktere miteinander zu verbinden, so dass eine wahre Geschichte entsteht, wie sie vielen zugestoßen ist, aber mit Aaron erfährt der Leser mehr als furchtbare Behandlungen und Vorgänge in den KZs und Vernichtungslagern. Man erfährt viele Facetten eines gequälten Körpers und einer gefolterten Seele, die überleben wollen und dazu versuchen, die Sicht der Dinge für sich einzuordnen. Aaron ist Musiker im Lagerorchester und genießt dadurch Privilegien, die andere nicht haben. Er entwickelt später Schuldgefühle darüber, dass er seinen Lebenskampf mit dem Cello geführt hatte und darüber, dass er sich in das Grauen hatte einbinden lassen. Die Autorin schildert auch die andere Seite der Opfer: „ Juden wurden zu Handlangern in allen Bereichen in den Lagern und machten alles, um sich zu retten. Nur wenige kannten das Gefühl des Mitleids.“
Die Schilderung des Schicksals der Juden, exemplarisch dargestellt an Aaron, führt bei dem Leser immer wieder zu einem ungläubigen Gefühl der Unfassbarkeit, wozu der Mensch fähig ist. Aber die andere Seite regt an, darüber nachzudenken, wie weit man selbst gegangen wäre, um zu überleben.
Die Geschichte ist raffiniert angelegt. Dagmar Fohl lässt Zeitzeugen in Form eines Romans wiederaufleben und mahnt damit eindringlich, „dass die Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung mit den Millionen von Opfern nie in Vergessenheit geraten darf.“ (Zitat Esther Bejarano, die im Mädchen orchester von Ausschwitz gespielt hat und eine der letzten noch lebenden Zeitzeugen ist. In dem Vorwort zu dem Buch äußert sie den Wunsch, der Roman möge etwas bewirken in Zeiten der zunehmenden Entmenschlichung. Dem Wunsch schließe ich mich aus vollstem Herzen an.)
Ein ungeheuer intensives und, trotz des unendlich grausamen Hintergrundes, auch ein spannendes Buch, denn der Leser leidet und hofft mit Aaron, und man ist gespannt, wie dessen Leben nach der äußeren Befreiung weitergeht und ob er seine Tochter findet - Bewertung: