- Verlag: Wagenbach
- Seitenzahl: 225
- Teil einer Reihe?: Ja
- Inhalt und Rezension:Vierzehn Fluchtgeschichten von fünfzehn Autoren, der Sammelband vereinigt vierzehn berührende und komplexe Geschichten, deren zentrales Thema ist: Was bedeutet es für einen Menschen, zu flüchten oder geflohen zu sein. Neben den vierzehn Reportagen enthält der Band Biographien der Autoren und Autorinnen und der Übersetzer*innen, das macht die Geschichten noch persönlicher. Geschichten, Erlebnisse Gefahren, Träume, Visionen- prall gefüllt sind die Berichte. Schmerzhafter Anfang in einem komplett neuen, anderen Land, komplizierte Rechtslagen wegen des Aufenthaltstatus, Rassismus, physische und psychische Folgen von Vertreibung und koloniale Vergangenheit und deren Auswirkungen bis heute sind zum Beispiel Schwerpunkte der Reportagen. Diese literarischen und doch realistischen Schilderungen sind so persönlich, dass der Leser wie in eine andere Welt eintaucht: Voller Mitgefühl und Bewunderung, was Flüchtlinge auf sich nehmen (müssen), aushalten und bewältigen. Träume von gestern sind ausgeträumt, die Zukunft verloren. Gerade heute, während der fürchterliche Ukrainekrieg tobt, sind die Schilderungen aktueller denn je. Hier werden nackte Zahlen, die Anzahl der Millionen Geflüchteten, wieder in Einzelschicksale zurückverwandelt: Das alles passiert Menschen aus Fleisch und Blut nicht Robotern.
Ich kann keine Sterne verteilen, da ich die Reportagen nicht literarisch betrachten möchte, sie sind einfach real und unendlich berührend. Beispielhaft sei hier ein kleiner Ausschnitt zitiert, um die Eindringlichkeit des Erlebten und Niedergeschriebenen zu dokumentieren: Taqi Akhlaqi aus dem Iran schildert seinen Weg nach Afghanistan und später nach Deutschland: Das Leben Geflüchteter wird von zwei Gegebenheiten gezeichnet: vom Verlust der Menschenwürde und von dem langen Warten in Ungewissheit. Menschen, die bis gestern ein ganz normales Leben führten, morgens aufstanden, zur Arbeit gingen, lernten, studierten, Ersparnisse hatten, im Kreis von Familie und Kinder zu Abend aßen und anschließend Fußball und Filme schauten, kämpfen plötzlich ums nackte Überleben. Man sieht sie in langen Schlangen stehend, auf Essen warten, sieht sie Stacheldrahtzäune überwinden, vor Polizisten fliehen, in Kisten und unter Bäumen nächtigen, sich an LKWs hängen, ihre Verwandten, auch Kinder; in seeuntüchtigen Schlauchbooten auf hochgefährliche Reisen schicken. Einigen schwinden die Kräfte dabei in unfassbar kurzer Zeit.